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" Ein Glockenguß in der Stikelkamper Glockengießerei "

Ein Rückblick, veröffentlicht in der Heimatbeilage des 'Upstalsboom' vom 13. April 1933

Verfolgt man nun den alten Postweg weiter, dann kam man zur Glockengießerei von Andreas van Bergen. Dieses Unternehmen war in den damaligen Zeiten berühmt und noch mehr bekannt. Der Name van Bergen und vor allen Dingen die Verbindung mit dem Glockenguß fanden in ganz Deutschland ein Echo. Glockenlieferungen nach allen Richtungen des Deutschen Reiches waren gang und gebe. Während sich nun die Glockengießerei rechts vom Postwege befand, standen Wohnhaus und Fabrikgebäude mit seinem 40 Meter hohen Schornstein links. In dieser Werkstatt wurden hauptsächlich große und kleinere Brandspritzen gegossen und fertiggestellt. Die meisten damals in Ostfriesland vorhandenen Spritzen stammten aus diesem Unternehmen. Auch noch andere Gegenstände wurden hier erzeugt. So zum Beispiel künstliche Kartoffelschäler, Kaffeemühlen mit Selbsttätigkeit, künstliche Gartenbesprengungsanlagen d. h. Gartenspritzen, die unter Luftdruck Wasser hergeben konnten. Ja, man erzeugte sogar einmal Dreiräder und noch viele andere technische Instrumente.
Die Glockengießerei bestand aus Holzschuppen, ähnlich den jetzigen Ziegeleien. Diese waren seitlich offen, damit die Formen durch die hindurchströmende Zugluft die Lehmschicht trocknete. Zum Zwecke des Glockengießens wurde, genau wie im Schillerschen " Lied von der Glocke " bis zur Mannshöhe ein Loch oder mehrere derselben in die Erde gegraben. Auf dem Boden dieses Loches wurde sodann die Doppelform der Glocke fertiggemacht. Die Lehmmasse wurde zu diesem Zweck eigens hergerichtet. Sie wurde mit Hanf und Draht umwickelt. Etwa drei Wochen im Rohbau standen die Lehmformen zum Trocknen. Dann wurden sie gelichtet und alsdann mit allen Sprüchen und Verzierungen versehen. Dieses war eine schwere Arbeit, die nur von den besten Kräften des Werkes ausgeführt werden konnte. Nach dem dann auch die Verzierungen genügend getrocknet waren, wurde die äußere Form auf die innere aufgesetzt, von außen verschmiert und dann wurde alles mit Erde zugedeckt. Für den Einlauf des Metalls blieb nur ein sogenannter Laufgang vorbehalten. Letzterer war kunstgerecht aus Lehm geformt und ebenfalls von Außen verschlossen. Der Laufgang stand wiederum in der direkten Verbindung mit dem Schmelzofen (Kupolofen einfachen Formats, mit einen Turbogebläse zum entfachen größerer Hitzen. Noch heute sind diese Art Öfen noch in Eisengießereien anzutreffen. Was die Form der Gußöfen selbst anbelangt, weichen diese natürlich mit denen einer Glockengießerei weit voneinander ab). An einem Tage waren dann die vier Formen soweit (es konnte nur einmal im Jahre gegossen werden, da die Formen fast den ganzen Sommer über zum Trocknen benötigten) daß sie gefüllt werden durften. Ein Festtag für den Ort Stikelkamp, alles war auf den Beinen. Die Schulkinder hatten zu ihrer großen Freude die jeweilige Erlaubnis des leitenden Ingenieurs, diesem imposanten Schauspiel beizuwohnen. Nicht minder interessant aber war es für die erwachsene Bevölkerung. Am Gußtage hatten sich außer der Bevölkerung auch der Pfarrer eingefunden und mit ihm einige vornehme Herren mit ihren Damen. Schon prasselte das Feuer längere Zeit. Der Ingenieur bewachte Feuer und Metallegierung im Ofen andauernd. Etwa eine halbe Stunde vorher öffnete der Ingenieur dann die an beiden Seiten des Ofens eingebauten Gucklöcher. Besonders die Kinder drängten sich dann zu diesen; jeder, groß und klein, wollte das gurgelnde, kochende, wilde Metall gesehen haben. Es hatte den Anschein, als ob in dem Metall lauter Kerzen in unzähligen Farben hin und her tanzten. War dann die Masse soweit, dann kam der Ingenieur mit einer großen Tute. In dieser befand sich eine Substanz, die den Reinigungprozeß des reinen Metalls vom schmutzigen schied. Er erzählte den Kindern auf deren neugierige Fragen, daß die Tute Soda enthalte - aber die fragenden Gesichter der Kinder bezeugten nur allzu deutlich, daß den Worten nur wenig Glaube geschenkt wurde. Bei dem Zuführen besagter Chemikalie setzte dann im Augenblick ein Kochen innerhalb der Brodelnden Masse ein ! Die " guten und bösen Geister " wurden von einander geschieden. Dann sammelten sich die Schlacken an der Oberfläche und das flüssige, gußfertige Metall stand wie stilles Wasser. Dann war es soweit: der Guß konnte beginnen. Noch einmal nachgeschaut, ob alles in Ordnung war. Vier Glockenformen in einer Reihe. Nur durch Laufgang sind sie verbunden. Oben auf der einzelnen Glockenform ist eine Öffnung, damit festgestellt werden kann, wann die Form voll ist. Der Ingenieur hat große Eile. Es ist keine Zeit zu verlieren, nämlich der "Laufgang" droht zu erkalten. Er ist nämlich zum Zwecke des Anwärmens ganz mit Feuer belegt und dieses hat inzwischen schon an Heizkraft eingebüßt. Der Pfarrer ist in diesem Augenblick, nachdem er in einer Ansprache auf die Bedeutung des Glockengusses hingewiesen hatte, mitten im Gebet. Der Ingenieur aber hat die größte Sorge: es wird Zeit, wollte doch der Pfarrer endlich Amen sagen. Der gute Guß und die Sicherheit des Gelingens erfordern jedoch präzise Innehaltung der Zeiten und so sieht sich der Verantwortliche denn genötigt, so ungern er es auch tat, mitten im Gebet des Pfarrers, den Pfropfen auszustoßen. Kochend ergießt sich im Moment das Metall in die Formen. Eine Form füllt sich nach der andern und an der letzten angekommen, fängt es an zu spritzen. Die andächtige Menge stiebt auseinander, um sich nicht zu verbrennen. So wurde aus Zeremoniell im Moment ein jähes Erschrecken. Später hat sich dann gezeigt, daß die großen Sorgen des leitenden Ingenieurs nur allzu berechtigt gewesen waren. Der letzten Glocke fehlte die Krone. Der Guß also hatte durch die Gesellschaft eine kleine Verzögerung erlitten und diese war schon zu lang gewesen. Die vierte Glocke war also dadurch vollständig gebrauchsunfähig geworden, zum eigenen Schaden der Gießerei. Drei Tage Stille. Dann konnten die Glocken ausgegraben werden. Die Formen wurden dann vorsichtig zerschlagen. Die fertigen Glocken wurden sodann einige Tage später aufgehängt auf einem eigens zu diesem Zwecke hergestellten großen Gerüst.
Die gesamten Schulkinder begaben sich dann, dazu aufgefordert, zur Gießerei und das Probeläuten begann. Lange Taue waren es, an denen die Kinder zogen. Der Ingenieur feuerte die Kinder andauernd an, kräftiger zu ziehen. Die größte der Glocken wollte nämlich nicht so recht hoch genug ausschlagen; sie war denn doch zu schwer und den wilden Anstrengungen der vereinten Kinderkräfte gelang es dann kaum, die größte Glocke genügend in Schwung zu versetzen. Mit großen Umständen war sodann der Transport der Glocken zu den jeweiligen Bestimmungsorten verbunden. Auf kräftigen Wagen begann die Beförderung. Weich waren die Wege und Straßen gabs damals erst von Hesel ab nach Leer. Damit nun die Wagen durch das ungeheure Gewicht nicht etwa zu tief oder gar im Morast festgerieten, wurden unter die Räder immer wieder lange Bohlen gelegt und über diese hinweg gings dann langsam nach Hesel. Von dort erst einmal nach Leer. Hier wurde sie sodann auf der königlichen Eisenbahn verfrachtet. Die große in Richtung Köln, die zweite Richtung Bremen. Die dritte Glocke aber hatte die Gemeinde Amdorf erworben. - Vier Monate nach dieser Begebenheit brannte dann die Bergensche Glockengießerei in Stikelkamp gänzlich nieder. Alles wurde vernichtet. Außerdem verbrannten, wie die Überlieferung sagt, vier große neue Brandspritzen. - Im Turm der Schule von Stikelkamp hängt eine Glocke. Diese hat ein Gewicht von annähernd 50 Pfund. Sie wurde in der damaligen Zeit vom Fabrikherrn geschenkt und soll zum größten Teile aus Silber bestehen. Das Glöckchen hat daher auch wohl den schönen hellen Klang.

 

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letztes Update: 08.11.2002